ERKÄLTUNG ADE
Jetzt ist sie da, die kalte Jahreszeit. Mit im Gepäck: Wind, Nässe und Dunkelheit. Zusammen ergibt dies einen hervorragenden Nährboden für Schnupfen und Co. Richtig vorbeugen ist nicht so schwer. Vorausgesetzt man weiß wie.
„Eine Erkältung kommt drei Tage,
bleibt drei Tage,
geht drei Tage“
Volksmund
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) unterscheidet man zwischen inneren und äußeren Auslösern für eine Krankheit. Die äußeren Auslöser werden pathogene Einflüsse genannt. Derer gibt es in Summe sechs. Und drei davon feiern ihre Primetime in Herbst und Winter. Weil das sind schon Jahreszeiten, die sind nicht wirklich was für ein sonniges Gemüt. Kalt ist es. Dazu der Wind, der mit seinen eisigen Fingern durch jede noch so dicke Jacke zu greifen vermag. Dazu die Feuchtigkeit, ob in Form von Nebel, Regen oder Schnee, sie findet ihren Weg hinein in den Körper, verlässlich, beharrlich, immer und überall, bis in die Knochen. Und kaum passen wir einen Moment nicht auf, sind wir schon erkältet. Im Schnitt zwei bis fünfmal pro Jahr. Im Schnitt jeweils um die zehn Tage. Das macht zwischen zwanzig und fünfzig Tage, in denen man die Nase voll hat vom Nase voll haben. Muss dem so sein? Nein. Muss es nicht. Aber der Reihe nach!
WIND ODER VIREN? ERKÄLTUNG ODER GRIPPE?
Laut TCM dringen pathogene Faktoren in den Körper ein und wirken dort ihrer Natur entsprechend. Im Prinzip ist eine Erkältung also nichts anderes als eine innere Spiegelung äußerer Verhältnisse. Zuerst ist uns kalt, wir frieren und frösteln, das entspricht der Kälte. Die rinnende Nase und das leichte Schwitzen entsprechen der Feuchtigkeit. Und der Wind zeigt sich in den wechselhaften, nicht klar einzugrenzenden Glieder- und Kopfschmerzen. Die Schulmedizin sieht das weniger romantisch, meint jedoch dasselbe, auch wenn sie Kälte nicht als direkten Auslöser in den Mittelpunkt stellt, sondern Viren. Und die tun sich leichter, wenn das Wetter schwer auf das Gemüt drückt, denn das belastet nicht nur die Seele, sondern auch das Immunsystem. Das hat viel zu tun, im Herbst, im Winter. Die starken Temperaturunterschiede. Der Mangel an Licht. Die überheizten Räume mit ihrer trockenen Luft. Das entzieht den Schleimhäuten Feuchtigkeit und macht sie rissig. Das alles ist Stress für den Körper und Stress macht müde und Müdigkeit macht sensibel. Wir sind geschwächt.
Derart gelingt es den meist überaus engagierten Erkältungsviren leicht das überaus strapazierte Immunsystem zu überlisten und sich im Körper auszubreiten. Das kann passieren, wenn einem der Nachbar in der U-Bahn direkt ins Gesicht niest: Die klassische Tröpfcheninfektion. Es geht aber auch weniger ungustiös. Ein Fahrgast hat sich in die Hand gehustet und das Ergebnis unauffällig auf genau den Haltegriff verteilt, den wir als Anker im Abteilgetümmel auserkoren haben. Wir übernehmen also das Ergebnis. Und es bleibt uns vorerst. Denn Erkältungsviren können mehrere Stunden auf der Hautoberfläche überleben. Dann noch aufs Händewaschen vergessen, ein Griff ins Gesicht, und schon können sich die Erreger auf dem Weg zu ihrem Werk machen. Aber ob angehustet oder durch unachtsames Hantieren selbst verschuldet: Die Eintrittspforten für die Viren sind stets Nasen- und Rachenschleimhaut. Und von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit vergehen ein bis drei Tage. Wir haben uns also eine Erkältung oder grippalen Infekt zugezogen. Das ist keine Kleinigkeit, aber auch keine Grippe. Die Grippe ist ein ganz anderes Kaliber. Um die geht es hier zwar nicht, aber es ist wichtig den Unterschied zu kennen.
Denn die Begriffe „Erkältung“ bzw. „grippaler Infekt“ und „Grippe“ bzw. Influenca werden oft verwechselt. Beide Krankheiten ähneln sich in ihrer Symptomatik, ähneln sich in ihrem bevorzugten Auftreten in der kalten Jahreszeit, ähneln sich in den Übertragungswegen. Es sind aber unterschiedliche Viren. Die Erkältungsviren sind lästig. Die Grippeviren sind gefährlich. Vor allem für alte und geschwächte Menschen, wo die Grippe im schlimmsten Fall tödlich verlaufen kann.
Merkmal | Erkältung (grippaler Infekt) | echte Grippe (Influenza) |
Krankheitsbeginn | eher schleichend, über mehrere Tage hinweg | Beschwerden treten plötzlich auf, innerhalb weniger Stunden entsteht Fieber |
Fieber | erhöhte Temperatur bis 38 Grad Celsius | schnell einsetzendes, hohes Fieber, oft über 39 Grad Celsius |
Schnupfen und verstopfte Nase | ein typisches Symptom | eher selten oder weniger stark ausgeprägt |
Husten | tritt als trockener Reizhusten oft zu Beginn und am Ende der Erkältung auf; dazwischen ist verschleimter Husten möglich | schmerzhafter, trockener Husten ist typisch von Beginn an |
Halsschmerzen | häufig zu Beginn einer Erkältung | eher unwahrscheinlich |
Kopfschmerzen | mäßig starke Kopfschmerzen können vorkommen | sind bei Grippe typisch, heftiger als bei der Erkältung |
Gliederschmerzen | sind möglich, jedoch meist weniger stark | in der Regel starke Muskel- und Gliederschmerzen |
Entkräftung | Betroffene fühlen sich meist geschwächt | typisch ist die rasch auftretende, heftige Entkräftung |
Krankheitsverlauf | normalerweise nach circa sieben bis neun Tagen überwunden | Dauer circa sieben bis 14 Tage; bis zur vollständigen Erholung können mehrere Wochen vergehen |
WIE MAN EINER ERKÄLTUNG NICHT SAURES GIBT!
Zurück zur Traditionellen Chinesischen Medizin. Die kennt zwar keine Viren im schulmedizinischen Sinne. Aber sie kennt sich aus. Vor circa 1.800 Jahren wurde das Shang Han Lun verfasst. Es gilt als die älteste Abhandlung der Medizingeschichte. Und widmet sich ausschließlich Kälte-Krankheiten. Man muss sich das so vorstellen: Dringt Kälte in unseren Körper ein, dann ist das ein Prozess, beginnend an der Außenseite, endend im Kern. Genau genommen gibt es sechs Schichten, von Tai Yang bis Shao Yin, die uns als Bollwerk gegen äußere Einflüsse zu Verfügung stehen. Je tiefer ein pathogener Faktor in das System eindringt, desto schwieriger ist die Behandlung. Daher sollte man rasch und sinnvoll gegensteuern. Hier kann man vom Körper lernen. Der hält meist von selbst dagegen, wenn Handlungsbedarf besteht. Im Falle einer Erkältung bevorzugt mit leichtem Fieber. Wärme gegen Kälte. So einfach ist das. Warum machen wir es jedoch meist umgekehrt?
Weil wir uns zu wenig mit der Thermik und der Geschmackswirkung von Nahrungsmitteln auseinandersetzen. In der TCM ist dieses Wissen vorhanden. In der aufgeklärten Weltsicht ist es verschwunden. Und dann wollen wir der Erkältung Saures gegeben. Mit Südfrüchten und Vitamin C. Vor allem in der Anfangsphase. Leider ist das kontraproduktiv. Sehr sogar. Denn Südfrüchte, ob Zitrone oder Grapefruit, ob Orange oder Banane, sind thermisch kalt, produzieren innere Kälte, das ist ihr Job, um in südlichen Länder der äußeren Hitze einen inneren Kühlschrank gegenüber zu stellen. Es geht um das Gleichgewicht. Dieses erlangen wir auch nicht mit Vitamin C. Das ist ebenfalls thermisch kalt. Konsumieren wir im Falle einer Erkältung nun zusätzlich Nahrungsmittel, die dem Wetter im Fröstelfaktor um nichts nachstehen, führt das zu noch mehr innerer Kälte. Thermisch kühl oder kalt sind:
- Milchprodukte generell, vor allem aber Joghurt und Topfen. Zusätzlich wirken Milchprodukte schleimbildend: Suboptimal bei Schnupfen.
- Sojaprodukte, vor allem Sojamilch
- Sommergemüse wie Tomaten, Gurken, Zucchini oder Paprika
- Salat und Rohkost
- Tiefkühlkost
- Mineralwasser
Da sind wir also verschnupft, wollen uns daher extra gesund ernähren und greifen bevorzugt auf Lebensmittel aus genau dieser Kategorie zurück, fühlen uns aber trotzdem nicht besser, weil eben, kalt. Aber es geht nicht nur um die Thermik, es geht auch um den Geschmack. Jede Geschmacksrichtung hat ihre Wirkung. Und sauer zieht zusammen. Beißen Sie in eine Zitrone, um den Effekt zu spüren. Ist ein Lebensmittel nun kalt und sauer zugleich, wie viele Südfrüchte es nun einmal sind, konserviert das die Kälte durch den zusammenziehenden Effekt zusätzlich in unserem System. Bravo! Was es wirklich braucht: Warm statt kalt. Scharf statt sauer.
DIE INNERE HEIZUNG ANWERFEN
Zurück zum Anfang, zum Bild einer Erkältung aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin. Pathogene Einflüsse dringen in den Körper ein. Es sind dies: Wind, Kälte und Nässe. Was zu tun ist, ist naheliegend. Diese gehören vertrieben. Wie man das macht? Fenster auf, damit sie entweichen können. Heizung an, um sie nach außen zu treiben. Das Fenster entspricht unseren Poren. Man muss diese Öffnen, den Körper zum Schwitzen anregen. Und man muss den Körper von innen wärmen und entlasten, da er geschwächt ist. Also nichts Kaltes, Schweres oder Belastendes essen. Am besten Tees und Schonkost mit geschmacklicher Schärfe. Und vor allem: Thermisch warm müssen die Sachen sein. Als Inspiration, was uns gut tun kann:
- Ingwer: Als Tee oder in Suppen oder kauen
- Suppen mit Zwiebel, Frühlingszwiebel, Lauch…
- Rettich, Meerrettich, Radieschen
- Viele aromatische Kräuter (transformieren Feuchtigkeit): Kardamom, Oregano, Thymian, Majoran, Fenchelsamen…
- Die klassische Hühnersuppe
- Reissuppe
Diese Richtlinien sollte man auch befolgen, wenn man nicht gerade erkältet ist. Als Vorbeugung. In der kalten Jahreszeit sollte man einen inneren Glutstock aufbauen. Keinen Eisklotz. Die besten Maßnahmen im Falle einer bereits eingetretenen Erkältung, welche Kräuter wirklich helfen und was man sonst noch machen kann… Folgen im nächsten Beitrag!
Zahlen und Fakten rund um die Erkältung
- Es gibt 200 bekannte Erkältungsviren.
- Ungefähr die Hälfte aller Erkältungen wird durch spezielle Schnupfenviren, so genannte Rhinoviren, verursacht.
- Bei 60 Prozent aller Erkältungen treten Schmerzen auf. Am häufigsten sind dabei Kopf- und Halsschmerzen.
- Bei Erkältungen liegt die Häufigkeit von nasalen Symptomen, wie verstopfte oder laufende Nase, bei 80 Prozent.
- Im Verlauf einer Erkältung treten die Symptome Schnupfen und Schmerzen fast immer gleichzeitig auf.
- Erwachsene haben zwei bis fünf Erkältungen pro Jahr, Kinder vier bis acht.
- Ein 75jähriger Mensch hat in seinem Leben durchschnittlich 200 Erkältungen gehabt. Dauern die Symptome fünf bis sechs Tage, verbringt dieser Mensch zwei bis drei Jahre seines Lebens mit Schnupfen, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen.
- Der Dichter Johann Wolfgang Goethe starb an den Folgen einer Erkältung am 22. März 1832.
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