Bereits 1948 hat die Weltgesundheitsorganisation Gesundheit als eine Zustand definiert, der weit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit. Von diesem Zustand sind wir weit entfernt. Warum?
Text: Mike Mandl, Bild: flickr / Charles D P Miller (creative commons license)
Viele Dinge im Leben sind einfach. Wer müde ist, sollte schlafen. Wer hungrig ist, sollte essen. Wer durstig ist, sollte trinken. Wem kalt ist, der sollte sich aufwärmen. Wem heiß ist, der sollte sich abkühlen. Oder etwa nicht? Die simple Logik der Alltagserfahrung funktioniert. Und sie funktioniert auch, wenn wir uns komplexeren Themen zuwenden. Unserem Verhalten zum Beispiel. Oder unserer Gesundheit. Oder dem Zusammenhang zwischen unserem Verhalten und unserer Gesundheit. Der Volksmund stellt diesen her. Die Wissenschaft widerspricht. Sie will immer alles auf Herz und Nieren prüfen. Sie will allen Dingen auf den Zahn fühlen, verliert sich dabei aber oft in Haarspalterei. Und Lippenbekenntnisse drehen ihr den Magen um. Dabei ist sie es, die ein bisschen mit dem Rücken zur Wand steht und kalte Füße bekommen sollte. Warum?
Bereits 1948 definierte die Weltgesundheitsorganisation Gesundheit als „einen Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ Ziel dieser Definition war es, Gesundheit von einer rein biomedizinischen Betrachtungsweise zu lösen. Gesundheit nicht als einen gegebenen und unveränderlichen Zustand zu betrachten, sondern als eine immer neu und aktiv herzustellende Balance in allen Lebensbereichen. Diese Balance erfordert Selbstverantwortung, erfordert ein höheres Maß an Selbstbestimmung.
Was ist 70 Jahre später daraus geworden? Wir sehen uns mit einer Flut an gesundheitliche Beschwerden konfrontiert, viele davon haben ihre Ursachen im psychisch-emotionalen Bereich oder im Lebensstil, ob Burnout, Allergien oder Stoffwechselerkrankungen.
Die Tendenz: Weiterhin rapide steigend. Ja. Wir bekommen die klassischen Krankheiten immer besser im Griff, wir erfreuen uns einer immer höheren Lebenserwartung. Gleichzeitig entfernen wir uns aber vom umfassenden Wohlergehen. Denn Wissen ist das eine. Verstehen das andere. Das muss nicht immer Hand in Hand gehen. Oder wie es der Philosoph Ludwig Wittgenstein auf den Punkt gebracht hat: „Wir fühlen, daß selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.“ Interessant in diesem Zusammenhang: Burnout wird in der Internationalen Klassifikation von Krankheiten als „Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ definiert wird. Wir haben einen noch nie da gewesenen Wissensstand. Und wir hatten noch nie so viele ausgebrannte Menschen. Warum?
Das gesellschaftliche Tempo wird immer höher, die Orientierung immer schwerer, der Druck immer größer. Weiterhin wird zwischen Körper, Geist und Seele getrennt.
Der Körper: Überlastet. Der Geist: Überfordert. Die Seele: Leer. Auf funktioneller Ebene können wir den Körper hervorragend reparieren. Für jede Krankheit gibt es Spezialisten, die Unfassbares leisten. Aber es geht nicht um bloßes Funktionieren. Es geht um umfassende Gesundheit. Das ist das Problem. Und Probleme sind oft nicht mit den Mechanismen zu lösen, die zu ihrem Entstehen beigetragen haben. Mit trennenden Perspektiven, fragmentierenden Herangehensweisen. Wir haben Allgemeinmediziner, Fachärzte, Chirurgen. Wir haben Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten. Wir haben Priester und Gurus. Obwohl viele Beschwerden das Resultat einer suboptimalen Interaktion zwischen Körper, Geist und Seele sind, wird dieser Zusammenhang selten anerkannt und noch weniger erkannt. Vor lauter Bäumen sehen wir den Wald nicht mehr. Das verschlimmert die Lage. Ein kleiner Teufelskreis.
Was es daher braucht: Neue Ansätze. Einen Paradigmenwechseln. Es braucht ein klares Ja zum Menschen als multidimensionales Wesen, als vielschichtige Einheit, die weit mehr ist als die Summe ihrer Funktionen. Diesbezüglich müssen wir keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Es reicht die zu beachten, die bereits vorhanden sind, wie das empirische Erfahrungswissen. Ein reichhaltiges Angebot liefert diesbezüglich die traditionelle chinesische Medizin, kurz TCM genannt. Die TCM basiert auf simplen, aber äußerst logischen und vor allem in der Praxis vielfach bewährten Prinzipien. Sie basiert auf Analogien, Zusammenhängen und dem unterschätzen Hausverstand.
Interessant an dem Ansatz der TCM ist, dass viele Erkenntnisse deckungsgleich mit unserem „Volkswissen“ sind: Sind wir schlecht gelaunt, dann läuft uns eine Laus über die Leber. Tut sie das über einen langen Zeitraum, kommt die Galle hoch. Wir sehen rot. Sagen wir. Die Chinesen sagen das auch. In beiden Kulturen wurde – obwohl tausende Kilometer voneinander entfernt – eine Zusammenhang zwischen Wut, Zorn, Aggression und den Organen Leber und Gallenblase hergestellt. Wie kann das sein? Eben. Indem tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Während jedoch in Europa ein großer Teil dieses Wissens im Mittelalter unrühmlich am Scheiterhaufen verbrannt wurde, wird es in China seit mehr als 2.000 Jahren klinisch angewandt. Mit Erfolg. Dementsprechend konnte sich das System fundiert verfeinern. Daher macht es Sinn, hier Anleihen zu nehmen.
Einen Grundpfeiler dieses System bildet die Meridianlehre. Die Meridianlehre stellt den Menschen in seiner Gesamtheit in den Mittelpunkt.
Die Meridianlehre liefert praktische und nachvollziehbare Ansätze, wie wir wirkliches Wohlbefinden erlangen und persönlich Wachsen können. Und sie liefert wertvolle Zusammenhänge und Einsichten in Bezug auf viele Zivilisationskrankheiten. Auf unkomplizierte Art und Weise. Aber viele Dinge im Leben sind einfach. Schenken wir ihnen einfach mehr Aufmerksamkeit. Dann wird aus Glauben Wissen. Erfahrungswissen. Mit diesem Wissen können wir mehr Selbstverantwortung in Bezug auf unser Leben übernehmen und müssen diese nicht dauernd an Spezialisten delegieren.